10.06.10

Holterdipolter: Titten, Bier und Traditionen

Manche Dinge macht man nur einmal im Leben, zumindest im Regelfall. Der Polterabend vor der Hochzeit wird wohl dazuzählen, den gibts wirklich nur einmal. Also muss ein solcher auch nach allen Regeln der Kunst zelebriert werden, und wie es die Tradition verlangt mit alkoholischem Exzess gewürdigt werden. Also wurden die Fässer geöffnet und das Bier floss in Strömen, wie es schon unsere Vorväter uns vormachten.

Nach Etablierung eines akzeptablen Pegels gings ab ins Fischerbräu, einem Centimeter-Lookalike neben der Übersetzungsfakultät. Beer is good - more beer. Dazu Deftiges in Kasnockerlkform, und der Abend kann beginnen.

Der Bräutigam hatte im Verlauf des Abends einige Aufgaben zu erfüllen, und die wichtigste davon war definitiv die Kollektion von 15 roten Lippenstift-Kussmündern auf seinem Event-T-Shirt. Ein goldenes Mascherl und eine Krone halfen dem so ausgezeichneten Bräutigam sicher bei seiner Anbahnung - wie auch kleine alkoholische Geschenke für die Teilnehmerinnen.

Die nächste Station der bereits sehr besoffenen Meute war das Charlie P´s, ein "irish" Pub das ungefähr so irisch ist wie der Arsch eures werten Autors. Ein schwer übergewichtiger DJ versuchte mit Slipknots "Wait and Bleed" das Häufchen Feiernde zum Karaoke zu überreden - es gab dann auch Einlagen von Nirvana (the Groom smelled like teen spirit) und den Beastie Boys (Fight for your right, headbangend vorgetragen von dem Mensch hinter den Tasten).

Und dann, die obligatorischen Titten. Das Beverly Hills im 1. war das Etablissement der Wahl - folglich gabs auch das gleiche zu sehen wie am FKK-Bereich der Donauinsel, kombiniert mit jüngeren Damen in Lingerie und mäßigen Tanzkünsten. Junge Banker, Diplomatensöhne und alte Säcke in Sakkos beäugten fasziniert das Fleisch, das es auch im Internet gratis doppelpenetriert zu bestaunen gibt. Alexa, Natasha und ihre allesamt englischsprachigen Kolleginnen versuchten alsbald erfolglos uns auch noch den letzten Cent aus der Tasche zu locken - DJ Ötzi rülpste "Hey, Baby" - und die Atmosphäre entsprach so gar nicht den wunderbaren Visionen Frank Millers. Wie so oft ist die kulturelle Rezeption interessanter als das Geschehen per se. Shaggy animierte die jugendlichen Übergewichtigen Profiteure irgendwelcher Ostblockländer ihre flaumigen Rotzbremsen um 45 Euro an den käuflichen Brüsten zu reiben - Höschen runter, that´s all, folks. Weiße Grüsse aus Belarus.

Auf diese soziologisch doch recht interessante Exkursion folgte die Hölle in Club-Gestalt - das unweit davon gelegene Loch das sich "Bettelalm" nennt. Ouch. Hier kann man sich auch noch den letzten Rest Gewissen wegsaufen, Kapitalismus in seiner eskapistischsten Ausprägung. Die Damen des Beverly Hills wurden zumindest für ihre Anbiederungen bezahlt, doch dort werfen sich jeden Abend junge Mädchen freiwillig in die Arme sozial unfähiger Bankiers die unbeholfen zu der schlechtesten Musik des Erdballs etwas wie Tanzen emulieren. "Wir lieben das Leben, die Liebe und die Lust" - bei dem Publikum kommt einem einfach nur das Kotzen.

Tatsächlich findet meine Abscheu nach kurzer Zeit keine Worte mehr. Ohne die Anwesenheit Jaffa-ähnlicher Securities hätte ich wohl randaliert. Ausbeuter, Zecken und Schlappschwänze zelebrieren dort ihre systematisierte Unfähigkeit zur Reflexion. "Do what you like" - and whatever you can afford to buy.

Eine solche Karikatur des wunderbaren Nachtlebens von Wien hatte ich noch nie erlebt - und werde ich wohl hoffentlich nie mehr erleben müssen. Manche Dinge macht man tatsächlich nur einmal im Leben - und der Besuch des wohl schlechtesten Lokals von Wien gehört definitiv dazu.

soweit vom dave.

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